schrei-b-log

Martin Andreas Walser

Nichts muss sein. Alles kann.

| Keine Kommentare

Man bleibt hängen, hängenhängen, hängenhängenhängen. Im Kreise drehen, einmal, zweimal, dreimal, immer wieder von neuem dieses Kreisgedreh (ohne Anfang, ohne Ende: nehmen Sie die nächste Ausfahrt rechts, gibt’s nicht): Gejammer, heulschluchz, da komm ich nie wieder raus. Träumt sich eine eigene, eine neue Welt zusammen, sinnloses Geträum.

Abruptes Ausdemschlafgeschreck: das Radio an. Morgennachrichten. Das Elend und die Belanglosigkeit dieser Welt haben einen zurück, gähn, stöhn, Wobittebleibtderkaffee?

Wer bin ich? Lauter: Wer zum Teufel bin ich? Die Erinnerung vorhanden. Die Gewissheit weg. Geschluckt von Dieben des Nachts.

Ein Name, irgendeiner, aus der Umgebungsluft gefiltert, nach Staub geschnappt, Buchstaben zusammengegriffen aus dem Nichts und gefügt zu: Ferdinand oder Immanuel, eventuell Robert oder Thomas oder Michael oder Jakob.

Noch fehlt die Biografie. Wird man hinkriegen: die Hoffnung, die zu allerletzt sterbende.

Der Blick durch das Fenster: gigantisch! Diese Landschaft! Obwohl für viele wohl (und für einen selbst in langweiligeren Lebensmomenten): einfach nur Grün. Grün an diesem Morgen und jenen davor (nicht jenen danach, wenigstens nicht für man, da man wieder weg sein wird): von ganz hell bis fast schwarzdunkel. Einhundert, mehr!, Schattierungen. Wiesen, Baumbewuchs, Heckengereck. Nur der Himmel ist blau. Und die Kühe sind braun.

Sitzenbleiben, der Entschluss so einfach gefasst, so unmöglich ihn durchzuhalten: sich nie mehr erheben zu wollen vom Stuhl, auf dem man sitzt. Halb abgedreht der Oberkörper, nackte Füße in schlappen Latschen unter dem Massivbraun der Tischplatte. Darauf (nicht artig in Reih und Glied gestellt, nicht Ordnung das Ziel, vielmehr Zweckdienlichkeit): KaffeetasseAschenbecherZigarettenFeuerzug. Die zu einer einzigen verschmolzenen Unverzichtbarkeiten des Morgens.

Was man erschaut, durchblickt man (zu Ferdinand oder Immanuel, eventuell Robert oder Thomas oder Michael oder Jakob geworden) das Fenster: die Landschaft, das Gehügel, Berge genannt, der Augen Blick gerichtet in die wenig ferne Ferne. Nicht derart eng, nicht derart weit die Landschaft, Tal gerufen, wie anderswo. Ein ausgewogen Maß von hier und dort und dazwischen.

Vielleicht liegt in dieser Balance begründet, wohlaustariert für Auge und Gemüt, Seele, Hirn, Herz und was man sonst bemühen mag: dass man sich vorstellen könnte, nicht mehr weg zu wollen.

Man sitzt. Ruhe rundum. Drinnen. Wie draußen. Unsichtbar die Gastgeber. Noch: irgendwo zwischen BettBadKüche unterwegs.

Nichts muss sein in diesem Augenblick. Alles kann. Alles dürfte. In dir liegt, von dir hängt ab, was könnte.

Selbst Werbinich?: belanglos.

Hinterlasse eine Antwort