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Martin Andreas Walser

Immer wieder drohe ich zu scheitern

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Es gibt Momente, in denen man aus diesen oder anderen Gründen schweigt. Sich nicht in der Lage sieht oder keine Lust verspürt, sich zu äussern.

Auch ich habe vermehrt geschwiegen in letzter Zeit.

Lange geschwiegen.

Hier.

Und mich andernorts zurückgehalten.

Jedoch ohne zu verstummen. Hunderte von Seiten habe ich vollgeschrieben mit Teilen einer Geschichte, die mir keine Ruhe lässt, und dies in jeder Hinsicht. Immer wieder drohe ich zu scheitern. Immer wieder komme ich doch wieder voran.

Unter Umständen, indem ich erst einige Schritte zurückkehre zum Anfang, die ersten Zeilen, das erste Kapitel anpasse; ich streiche und ergänze, baue um, erweitere, verknappe, verschiebe, passe an, keinen Stein auf dem anderen lasse.

Und wieder arbeite mich sukzessive vor bis zu jener Stelle, an der mich ernsthafte Zweifel befallen hatten. Gleite elegant daran vorbei, was eben noch eine unüberwindbare Klippe zu sein schien, um einige Zeit und viele Seiten später erneut festzustellen: ich bin noch nicht dort angelangt, wo ich mit dieser Geschichte hin will.

Also wende ich erneut und kehre zurück zu den ersten Seiten oder zumindest zu jener Stelle, an der ich, mein Empfinden, »falsch abgebogen sein könnte.«

Es mag vielleicht, lege ich den Text in seiner (zu jenem Zeitpunkt) definitiven Form vor, Unverständnis hervorrufen, dass dessen Entstehung derart viel Qual bedeutete.

Fest steht indessen, dass mich die Geschichte beinahe täglich während vieler Stunden ziemlich vollkommen in Beschlag nimmt (und damit meine ich nicht, weil ich ununterbrochen schreibe, sondern weil ich weitaus mehr Zeit darauf verwende, nachzudenken): Ich erahne irgendwo am nebligen Horizont das Ziel, vermag es mir sogar in seiner ganzen Pracht oder dem gesamten Elend vorzustellen, doch folgt auf dem Weg dorthin jedem Tal, in das hinunter ich gestiegen ist, um die gegenüber liegende Wand wieder hochzukraxeln, nach wenigen glücklichen Schritten auf der Ebene der nächste tiefe Einschnitt.

Und so geht es derzeit weiter und weiter und …

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