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Martin Andreas Walser

Zweimal New York – zwei Bücher, zwei ganz unterschiedliche Geschichten

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Zwei Geschichten, zweimal New York, einmal als Ausgangs- und Endpunkt einer Reise zur angeblich grossen Liebe aus der Studentenzeit, einmal als Ziel einer Lesereise und Handlungsort einer Liebe, die Schmerz bereitet und unerfüllt bleibt. Doch während Barry Cohen in Gary Shteyngarts «Willkommen in Lake Success» sich seiner Liebe erinnert, weil er befürchten muss, aufgrund seiner Finanzmanipulationen verhaftet und verurteilt zu werden, kommt der polnische Dichter in Tadeusz Dabrowskis «Eine Liebe in New York» wegen einer Lesung in die Stadt und lernt hier die Liebe und den Schmerz kennen. Zwei Bücher, die nichts miteinander zu tun haben, sieht man von der geografischen Zuordnung ab, und doch beide, wenn auch aus ganz unterschiedlicher Perspektive, manches über die Stadt, die Menschen, das Leben verraten.

Mit dem Greyhound durch das Land

«Willkommen in Lake Success» beginnt fulminant und liest sich vorerst mit grossem Genuss; die Geschichte ist witzig bis aberwitzig, bissig, rechnet ab mit den Auswüchsen der Hochfinanz und insbesondere deren Managern und bietet Einblicke in die “reale Welt” vieler Amerikaner auf dem Hintergrund des (Vor)wahlkampfs des derzeitigen Präsidenten.

Doch irgendwann erschöpft sich die Geschichte dieses sich im freien Fall befindenden Barry Cohen, der mit dem Greyhound durch das Land reist, um zu seiner Liebe aus Studentenzeiten zurückzukehren. Man hat begriffen, dass aus dieser «Läuterung» wohl nichts wird.

Er findet seine frühere Freundin tatsächlich (was ein wenig überrascht). Sie geht erneut eine Beziehung mit ihm ein (was ziemlich verblüfft). Und sie schickt ihn schliesslich weg (was überhaupt nicht überrascht).

Spätestens da verflacht die Geschichte. Zur Wahl des «falschen» Kandidaten bleibt später lediglich die Bemerkung, dass er für Barry Cohens Kreise offenbar trotzdem der «richtige» war. Bis es so weit ist und insbesondere danach verlieren die Bilder zunehmend an Schärfe und nehmen die Klischees in bemerkenswertem Tempo zu. Das Finale sodann ist derart kitschig, wie man es aus den «guten, alten Hollywood-Filmen»  kennt: Der bis dahin in letzter Konsequenz unbelehrbar nur auf das Geld und seinen eigenen Profit bedachte Barry Cohen wird endlich «ein guter Mensch» und repariert erfolgreich die seinem autistischen Sohn zugedachte Uhr – ein moraltriefender Abschluss eines in verschiedenster Hinsicht «unmoralischen» bisherigen Lebens.

Die Möglichkeit zu lieben und geliebt zu werden, hat er wegen seiner Liebe zum Geld und zu seinen Uhren verloren – die ihm verbleibenden Millionen werden ihn, ist anzunehmen, trotz des kitschigen Schlusses darüber hinwegtrösten.

Mit der U-Bahn durch New York

Ganz anders «Eine Liebe in New York», in der ein polnischer Schriftsteller auf Lesereise in der U-Bahn die Architektin Megan kennenlernt. Es entwickelt sich eine Geschichte «nach meinem Geschmack»: Die Geschichte einer Liebe, eine Geschichte über die Liebe, eine Geschichte über das Rätsel der Liebe. Und schliesslich eine Geschichte, in der trotz oder gerade wegen allem, was sich scheinbar ereignet, die Frage letztlich offen bleibt, ob nicht alles ganz anders gewesen sein könnte.

Für einmal unterschreibe ich einen Satz des Klappentextes aus Überzeugung: «Eine Liebe in New York erzählt poetisch und intensiv vom Schmerz einer sich verflüchtigenden Wirklichkeit.»

Zwei Bücher «zu» New York, die ich eher zufällig unmittelbar hintereinander gelesen habe. An einem dritten – Lisa Hallidays «Asymmetrie» – bin ich noch dran; es zeigt wiederum ganz andere Facetten der Stadt und ihrer Menschen – und der Liebe.

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