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Martin Andreas Walser

Ich habe Käse gekauft heute

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»Der Weg, er allein, wäre das Ziel. Du hast, an diesem Punkt deiner Überlegungen angelangt, gelächelt, dann haben tiefe Furchen deine Stirn aussehen lassen wie einen frisch gepflügten Acker: Wer nur hat mich einst mit dieser Weisheit das Grübeln gelehrt?«, heisst es in meinem jüngsten Roman, »deinSein«.

Wie beinahe immer, habe ich mich nicht etwa in den Bus gesetzt, sondern mich auch heute zu Fuss ins Nachbardorf begeben, um Käse zu kaufen. Der auf langen Strecken von Steinen übersäte Weg führt weitgehend und ziemlich sanft ansteigend durch den Wald. Knapp sieben Kilometer sind es hin und zurück. Ich war überzeugt, nicht der Weg sei das Ziel. Denn das Ziel hatte ich mir vorgegeben: der Kühlschrank und der kleine, runde Blecheimer, in den man das Geld für den Käse legt, die sich unter der Aussentreppe jenes Hauses am oberen Ende des Dorfes befinden, das steht, wo der Weg den Wald endgültig hinter sich lässt.

Doch auf dem Rückweg habe ich mich korrigiert: Natürlich war auch diesmal der Weg das eigentliche Ziel, Kühlschrank und Blecheimer, die ich als konkreten Endpunkt und damit als das eigentliche, das einzige Ziel meiner kleinen Wanderung bezeichnet hatte, bildeten lediglich den Vorwand, mich aufzuraffen und durch den Wald, über die Steine, die Wiesen, hinunter über die schmale Brücke und wieder hinauf bis zum Dorf zu gehen. Denn unterwegs, dies war der eigentliche Grund meines Unterwegsseins, hatte ich nachdenken wollen (und es getan), ich habe Gedanken geordnet, verworfen, bin anderen nachgegangen.

Natürlich habe ich den Käse gekauft. Und selbstverständlich habe ich ihn zurück in mein Dorf getragen und hier in meinen Eisschrank gelegt.

Das Wort von Konfuzius will ich somit für mich nicht im Sinn jener verstanden oder missverstanden wissen, die es rundweg als bequeme Ausrede von Menschen ablehnen, die kein Ziel erreichen wollen und sich, diesen Zitat sei Dank!, darauf herausreden können, sie seien noch immer unterwegs (oder auf dem Weg gescheitert). Ganz im Gegenteil: Will ich dem (in unbekannter Entfernung befindlichen) Ziel meines Daseins näherkommen, muss ich (auch weiterhin) meinem Weg die volle Aufmerksamkeit schenken – und nicht kopflos auf das Licht losrennen, das eventuell wartet. Dem »Ziel« näherzukommen, verlangt weitaus mehr, als bloss einen von A bis Z und mit vielen sogenannten »Meilensteinen« versehenen Weg erfolgreich durchschritten zu haben.

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