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Martin Andreas Walser

Einer unbekannten Violinistin gewidmet

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Kleines Internezzo unterwegs: Herr Z. (vollständiger Name bekannt) sucht Herrn L. (vollständiger Name ebenfalls bekannt). Laustark. Am Telefon. Während der Bahnfahrt.

Die Frau im Abteil nebenan findet das ungeheuerlich; sie beschwert sich. Laustark. Bestimmt.

Der soeben am Telefon noch salbungsvolle Herr Z., unterstützt von einem weiteren Reisenden, wehrt sich.

Zunehmend gehässig und grob: «Wenn es Sie stört, setzen Sie sich woanders hin.» Dann: «Für solche wie Sie gibt es einen Ruhewagen.» (Aber nicht in diesem, einem Ersatzzug, dies ist in diesem Zusammenhang jedoch unwesentlich.) Und schliesslich: «Wir müssen arbeiten – wir können nicht einfach in der Gegend herumfahren wie Sie.»

Der Frau verschlägt’s kurz die Sprache. Sie fasst sich aber schnell wieder: «Ich arbeite ebenfalls – allerdings: Was würden Sie wohl sagen, würde ich hier im Zug auf meiner Geige zu üben beginnen?»

*

Herr L. war übrigens nicht erreichbar; er hatte das Büro, wie dem Gespräch von Herrn Z. zu entnehmen war, bereits verlassen – und das an einem Freitag vor 15 Uhr!

Eventuell sass er ja in ebenjenem Augenblick in einem anderen Zug und lauschte, eventuell unfreiwillig, den Klängen einer anderen, einer tatsächlich im Zug übenden Violinistin…

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